Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
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Natürlich weiß die Papageifrau, welche Goldgrube sie da verwaltet, sie bewältigt die Aufgabe verantwortungsvoll und nicht ohne Geschick, mit Sicherheit besser als jeder Mann, sonst machte die Sache auch keinen Sinn. Die Informationen über den jeweiligen Erhaltungszustand ihres Mannes sind irgendwann zum Transmissionsriemen geworden, der das Rad der Sensationen am Laufen hält, soweit sie nicht von Schule und Kindern diktiert werden. Der erste, noch haltlose Prostata-Verdacht bringt seinen Schwanz endgültig in aller Munde, auch der Mann erfährt davon, manchmal spürt er eine Versuchung in sich aufsteigen, der er widersteht, während er zusieht, wie die Frau ihre beste Freundin hartnäckig dazu benützt, sich als Nebenfrau des Organträgers in Szene zu setzen und sich so im Kreis eine privilegierte Stellung zu verschaffen. Die Freundin scheint es nicht ungern zu sehen, sie fördert den Kontakt, wo sie nur kann, sie streut dem Mann Sand in die Augen, belügt ihn ein wenig, es liegt an ihm, wenn er das Angebot zur Triebabfuhr ausschlägt, wenn die reife Sexualität des Kreises an seiner Gleichgültigkeit oder seinem Hochmut abgleitet, so wird er dafür wohl büßen. Ihr Mittel, den eigenen Mann wie ein Dromedar auf der Suche nach einer neuen Wasserstelle in steter Bewegung zu halten, ist die Hysterie, eine kleine, blitzende, unendlich verwandlungsfähige und immer einsatzbereite Hysterie, gegen die auch die beste Freundin nicht ankommt, die dieser aber die Rolle des unkomplizierten, vom Organträger dankbar und ausgiebig in die Arme genommenen Kumpels erlaubt, die ihr ohnehin liegt. Vielleicht ist er ja impotent. Oder nicht? Wissen kann das keiner. Auf dem Tisch des Inders stehen wunderliche Gedecke, Kerzen brennen, sie brennen nieder, die Papageifrau ist sommerlich angezogen, etwa so, als habe sie unter ihren Schülerinnen einen Ideenwettbewerb zum Thema ›Sommer‹ angeregt und sei mit den Resultaten noch nicht zufrieden. Mit ihrem Körper schirmt sie die Freundin gegen den Mann ab, dem das ganz recht ist, übrigens auch gegen den eigenen, der an diesem Abend ungelaunt erscheint, das Gespräch lahmt, das Lokal ist schlecht, die Preise sind gepfeffert. Noch ist der erlösende Augenblick, die aufgelaufenen Rechnungen zu begleichen und sich zu erheben, nicht gekommen. Noch weiß der Mann nicht, dass die Frau diese Rechnung begleichen wird, um ihn daran zu erinnern, dass hier und heute sie die Unkosten ihrer Beziehung zu übernehmen bereit ist, vorausgesetzt, er zeigt sich der Größe des Augenblicks gewachsen und stellt keine weiteren Fragen, denn die andernfalls aufzumachende Rechnung beliefe sich auf ganz andere Summen und es wäre leider unmöglich, sie ihm zu erlassen. Das alles ruht noch im Bauch der Zukunft, als die Frau, ein Gespräch fortsetzend, dem der Mann ›rein akustisch‹ nur halb gefolgt ist und von dem seine Gedanken sich in der Zwischenzeit weit entfernten, mit einfachen, beinahe könnte man sagen: bescheidenen Worten den Abschied von ihrem ›Lover‹ mitteilt, in einem Apropos ohne weiteren stimmlichen Aufwand, es sagt auch niemand etwas darauf. Papageifrau samt Gemahl haben sich in eine blicklose Gegenwart zurückgezogen. Der Mann, aus einem klebrigen Traum erwachend, schwankt noch, ob er richtig gehört, ob er etwas gehört hat oder einer Sinnestäuschung erlegen ist. Letzteres würde er zwar bestreiten, falls man ihn darauf anspräche, doch ohne rechte Überzeugung, nur auf der Rückfahrt, beim ersten Ampelstopp, bricht die Frau das zwischen ihnen bis dahin herrschende Schweigen mit der etwas klamm, aber klar artikulierten Frage: »Was geschieht nun?« Ist das jetzt Männersache? Muss er ›es bringen‹?