Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
nächste Seite

Die Frau weiß es auch. Wenn sie mitten im Gespräch mit dem Mann sich umdreht und zur Tür hinausgeht, gleichgültig darum, ob er, in seiner Rede fortfahrend, ihr folgt oder vergeblich auf ihre Wiederkehr wartet oder mit erhobener Stimme weiter spricht, so ist ihr nicht entgangen, dass sie in solchen Momenten seine Verwandlung in ein anderes Wesen betreibt, dass sie in ihm die Empfindung, unwichtig zu sein, züchtet, langsam, geduldig, und dass sie im Begriff steht, sich eine kalte, inhaltslose, absolut reale Macht über ihn anzueignen, vorausgesetzt, dass ... er sich nicht umdreht und geht. Sie hat etwas gelernt und wendet es mehr oder weniger mechanisch an, dazu bedarf es zwar eines Gehirns, aber keines Gedankens, es genügt, dass sie einmal, in jenem früheren Leben, das die beiden noch immer verbindet, weil es das Arsenal der heute Reflex gewordenen Reiz-Reaktionsverhältnisse enthält und dadurch all jene teuflischen Verwechslungen des Damals und Heute ermöglicht, die in unserer Kultur ›stabile Beziehung‹ und ›partnerschaftliche Gemeinsamkeit‹ heißen, ein einziges Mal einen Grund hatte, so zu handeln, sei es, dass ein Kind schrie oder das Essen auf dem Herd stand, und dass sie sich dieses eine Mal gemerkt hat – gemerkt: soll heißen, gegen ein Mal, bei dem sie selbst unter Druck stand und ihn erfolgreich weitergab, stehen Dutzende anlassloser, tastender Versuche, im anderen auf die gleiche Weise Druck zu erzeugen, eine richtige Versuchsreihe, an deren Ende das fertige Produkt zu besichtigen ist, ein Verfahren, das immer funktioniert und auf das sie stolz ist. So stolz, dass sie im Lauf der Zeit der Versuchung nicht widerstehen kann, es vorzuführen – erst im kleinen Kreis (wobei sich die Freundinnen anbieten), dann, schon kühner, in der Öffentlichkeit, schließlich in Gegenwart von Personen, bei denen sie ihm damit ernsthaft schadet, weil diese einen, der nicht aufgestanden und gegangen ist, solange noch Zeit war, verächtlich finden und ihr Verhalten ihm gegenüber an dieser Überzeugung ausrichten. Unter den Freunden sind es die ›guten‹ und unter diesen die ›alten‹ Freunde, die das Angebot dankbar und voller Zuversicht annehmen, schließlich kennen sie ihn genauso lang oder länger als die Frau, und wenn sie etwas über ihn herausgefunden hat, dann gehört diese Einsicht ihnen so gut wie ihr, und von jetzt an wissen sie, woran sie sind und wie sie es mit ihm zu halten gedenken. Natürlich täuschen sie sich und verstehen nicht ganz, wieso der nächstbeste Konflikt, auf den sie es jetzt ankommen lassen oder sogar anlegen, so ganz anders ausgeht, als sie sich das vorgestellt haben, und der neue wunderbare Hebel mitsamt den alten Freundschaften im Bauch der mit einem Mal störrisch gewordenen Erinnerung verschwindet. Aber es sind seine Freunde, sie werden weniger, die Jahre bessern nichts, sie nehmen fort. – Sie sind ruhig geworden? Stehen Sie doch nicht auf, ich bitte Sie!