Die Wohnung ist das Gehäuse der Frau, aus ihm bricht sie auf, in sie kehrt sie zurück, in ihr ist sie abwesend gegenwärtig. Der Mittelpunkt der Wohnung ist das Schlafzimmer, in der Geschichte ihrer Beziehung hat sie früh dafür gesorgt, dass es männerrein bleibt, abgesehen von den seltenen Gelegenheiten, bei denen ein Gelüste sie anwandelt. Das Mittel, den Mann aus dem gemeinsamen Schlafzimmer zu vertreiben, ist denkbar einfach: Sie kann in seiner Gegenwart nicht mehr schlafen, allnächtens steht sie auf und wandelt durch die Wohnung, um sich an ungewöhnlichen und unbequemen Orten zum Schlafen niederzulegen, wo er sie am nächsten Morgen dann vorfindet. Sie kommt ihm so ausgeschlafen vor wie immer, keinerlei Anzeichen einer durchwachten Nacht sind an ihr sichtbar, sie wirkt ausgeglichen, ja zufrieden, das sollte ihn stutzig machen, allein es spornt ihn an, nicht hinter ihr zurückzustehen, hinfort nächtigt er auf Teppichböden, unbequemen Sofas, in breiten, aber keine Schlafhaltung erlaubenden Sesseln, das alles, um ihr den zarten Impuls zu ersparen, in der zweiten Nachthälfte vom gemeinsamen Lager aufstehen und sich ein anderes suchen zu müssen. Die relative Leere ihres Gemüts findet sichtbaren Ausdruck in der Leere des Doppelbettes, sie hat es gern, sich tagsüber dorthin zurück zu ziehen, um zu telefonieren, zu lesen, zu dösen oder zu schlafen. Die Tür bleibt angelehnt oder einen Spaltbreit offen, so dass niemand über ihre aufmerksame Anwesenheit in der gemeinsamen Wohnung in Zweifel geraten kann. Da passt es gut, dass sich das Schlafzimmer am Ende des Flurs befindet, ihr Lager also im rückwärtigen Teil der Wohnung aufgeschlagen ist; aus dem Hintergrund überhört und beherrscht sie die Szene, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Anfangs, solange er nicht begreift, aber zu verstehen glaubt, schätzt er an ihr dieses fehlende Bedürfnis, in Erscheinung zu treten – immerhin gehört sie zu den Menschen, die auf andere uneitel wirken, weil sie nicht dem Wunsch verfallen sind, sich zur Schau zu stellen. Wenn es sich einrichten lässt, bleibt sie im Hintergrund, sie lässt andere reden, sie hört gern zu, das macht auch Eindruck. Andererseits gibt es Weisen des Zuhörens, deren Charakter erst nach Jahren zutage tritt, sei es, dass die betreffende Person nun zu reden beginnt und man sich wundert, was sie sich in der langen Zeit angehört hat, so wie andere sich etwas anlesen oder anempfinden oder anträumen, um es nun wieder von sich zu geben, in spitzer oder unflätiger Gestalt, jedenfalls in denunziatorischer Absicht, denn jetzt weiß sie Bescheid, jetzt handelt sie, nachdem sie genug gehört hat. In einem solchen Fall kann sich die leidenschaftliche Zuhörerin, die in Wahrheit vollkommen leidenschaftslos zuhört, über Nacht in ein Wesen verwandeln, das jeden Versuch, mit ihr ein Gespräch zu führen, das über die unmittelbarsten Absprachen hinausgeht, mit schonungslos inszeniertem Desinteresse beantwortet. Die ganze Unterscheidung ist aber eher idealtypisch gedacht, denn das wirkliche Leben bietet keinerlei Schwierigkeiten, die eine Praxis mit der anderen zu verbinden. So ist es wichtig, die Posen zu beachten, in denen die Frau zuhört (oder auch nicht), mitsamt dem dazugehörigen Kommen und Gehen, das sich zu einem wirklichen Terrorinstrument um- und ausgestalten lässt, mit den simpelsten Mitteln, wirklich mit den simpelsten Mitteln, denn dass man jemanden nötigt, schneller zu sprechen, wegzulassen, sich auf das Notwendige zu konzentrieren, dass man es versäumt, sich auf seine Bewegung einzulassen, also den Schritt zu verlangsamen, stehen zu bleiben, wenn die Sprechbewegung des anderen es verlangt, das weiß jeder, das besitzt die umwerfende Symbolik des Slapsticks, jeder weiß auch, dass es unhöflich, verletzend und nicht ungefährlich ist, solche Situationen mutwillig, also ohne gegebenen Anlass, ohne erkennbares Motiv zu provozieren, bloß um den bewussten Effekt beim anderen hervorzurufen und sich an ihm zu weiden. Mächtige benehmen sich so, sie zeigen damit, wie kostbar ihre Zeit ist und dass jeder Gesprächspartner am Ende nur als Bittsteller vor ihnen steht, aber sie wissen genau, dass sie dafür bezahlen werden, dass sie bereits dafür bezahlen. |
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