Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
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Aber, wenden Sie ein, an dieser Darstellung kann etwas nicht stimmen. Die Frau hat schließlich einen Beruf, sie ist Lehrerin, hoch motiviert und akademisch gebildet, sie sollte gelernt haben, die unterschiedlichen Ansprüche, die das Leben an sie stellt, auseinander zu halten und ihnen gerecht zu werden, schließlich ist sie kein Muttertier, Sie sagen es selbst. Ich sage es selbst, natürlich sage ich es, von nichts anderem rede ich schließlich als von diesem scheinhaften Auseinanderhalten in Wahrheit eng miteinander kommunizierender Räume. Ihre Mutter war auch kein Muttertier, überhaupt laufen weit weniger Muttertiere herum, als man uns weismachen möchte, kein Muttertier würde dem Kind die eigene Zukunft wie eine bittere Pille verordnen. Wenn Frauen die unendliche Distanz glauben leben zu müssen, die ihr eigenes meist ziemlich banales Dasein von dem aller früheren Generationen trennt, dann ist das doch nur Gerede, giftiges, lebensfeindliches Gerede, in dem die wirklichen Unterschiede, die anschaulich und individuell erlebt werden, die Gemeinsamkeiten einschließen und von ihnen umgeben sind, sich wie in einem Säurebad auflösen, während sie selbstverständlich bleiben – eingeschlossen in ein stummes, misstrauisches, unsicheres und früher oder später völlig unbedarftes, weil in die Abstellkammer verbanntes Psycho-Milieu. Es sind immer die Dummen, die den ideologischen Quark auslöffeln, die gebildeten Dummen und die abgerichteten, vor allem die zum Abrichten abgerichteten Schlauen, damit wären wir bei den Lehrern. Ich möchte den Kindern nicht zu nahe treten, schließlich werden sie von Erwachsenen gezeugt und ausgetragen, aber es spricht einfach gegen sie, dass diese Kaste von Unberührbaren durch sie in die Welt kommt, die man Lehrer nennt – Leute, in denen die Chuzpe des Behauptens eine unmoralische Festigkeit gewinnt, wie man sie sonst allenfalls bei Politikern antrifft, bei denen sie sich aber mit Motiven und Mechanismen verbindet, die diesen Leuten ganz fern liegen. Die vollkommen verfestigte Statur eines Menschen, der weiß – inhaltlich auf dem Niveau portionierter Unterrichtseinheiten für das Fassungsvermögen von Kindern und Heranwachsenden –, verbunden mit der Sicherheit, welche die letzte unauflösliche Form der Ehe gibt – die der Beamtin mit dem Staat, der sie alimentiert –, und zwar bereits in relativ jungen Jahren, erzeugt oder ermöglicht diesen Typus Frau, der aus der Position der absoluten Überlegenheit heraus die mütterlichen Spiele nachspielt, um sie zu gewinnen, gegen die Mutter, gegen den Mann, gegen das Kind, gegen das eigene Geschlecht, aber als diejenige, die es in etwas anderes, wie sie glaubt: Neues, transformiert. In ihr erstirbt die Abenteurerin Frau, die sich nimmt, was sie begehrt, um als die Frau aufzuerstehen, die sich nimmt, was ihr zusteht – ebenso maßlos wie jene, aber ohne das Risiko des Scheiterns und daher ohne jede Notwendigkeit, ein anderes Selbst neben und um sich gelten zu lassen, es sei denn in Gestalt der Kollegin, mit der man sich trifft und essen geht und die man braucht, um sich der eigenen ›Kompetenz‹ zu versichern. Das ist die Clique, der Chor der Meta-Weiber, die von der Überzeugung gelenkt werden, dass sie über ihrem Geschlecht stehen, und sich deshalb als seine Hüterinnen verstehen.