Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
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Die Frau ist da weiter, sie hegt eine Abneigung gegen die Freundin, aus Gründen, die sie scheinbar verlegt hat, würde sie sich darauf konzentrieren, sie herauszufinden, sie hätte sie im Nu bei der Hand. Aber eben dies erscheint ihr nicht tunlich, da sie sich einen unbefangenen Umgang mit ihr bewahren möchte, denn die andere genießt, was ihr selber abgeht, obwohl alle Freundinnen sie schätzen: Prestige. Auch darüber möchte sie sich keine Rechenschaft ablegen, weil das ihrem Wertekanon zuwiderliefe. Die andere ist im Laufe der Jahre zu einer unförmigen Matrone herangereift, während sie – äußerlich mühelos – ihr Gewicht hält und ihre Form im Griff hat. Damit nicht genug, ist die andere vor Jahren aus dem Schuldienst ausgeschieden, diese Entscheidung wurde im Kreis der Freundinnen viel diskutiert und schließlich von allen mitgetragen, obwohl sie sie alle im Grunde ihres Herzens missbilligten und eigentlich nicht verstehen konnten. Natürlich war die Entscheidung vernünftig, andererseits brachte sie eine Abhängigkeit vom Mann mit, die sich später rächt, wie man sieht, daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Es ist nicht der Mann, es ist das seinerzeitige, schon damals als unziemlich empfundene Vertrauen auf den Mann, das sie keinen Augenblick an der Untat zweifeln lässt, weil sie die eigene Lebensentscheidung rechtfertigt und unantastbar macht. Einen Esel dirigieren kann jede, aber am Ende zahlt es sich nicht aus, es ist unmoralisch, weil es heißt, sich in Abhängigkeit zu begeben, und ausschlagen kann der dümmste. Entsprechend gilt die Solidarität, die sie empfindet, nicht der Freundin, sondern der Clique, in deren Mitte die andere jetzt, mit ihrer ›Erfahrung‹ im Rücken, mit Verve zurückkehrt, nachdem sie lange Zeit eher zur Peripherie gehörte und unterschiedlich distanzierte Beziehungen zu ihren Mitgliedern unterhielt. Was das Gruppen-Ego stärkt, stärkt auch das einzelne Ich, was nicht nicht ausschließt, dass es sich dadurch in einer komplizierteren Lage als zuvor befindet. In einer solchen Situation ist der eigene Mann hilfreich, da seine Anwesenheit es erlaubt, die erhöhte Energie der Gruppe abzuleiten und auf diese Weise an ihrem Machtzuwachs aktiv teilzuhaben. Warum auch nicht? Genauso halten es die Primaten, genauso halten es die Raubtiere im Zoo, da wird man als Frau wohl auf gleiche Rechte pochen können.