Solidarität fordern ist das eine, sie gewähren das andere: Da das, was sie nun ihrerseits vom Mann einfordert, die Solidarität der Clique, sich gegen den Vertreter seines Geschlechts richtet, das in ihm, wie das Nachfrage-Tabu deutlich macht, als Ganzes unter einer diffusen Anklage steht, gibt sie dem Mann großzügig Gelegenheit, sich von allem Verdacht zu reinigen – ein Akt tätiger Partnerschaft, der allerdings nicht erklärt, warum er überhaupt unter Verdacht steht und worin der Verdacht in seinem besonderen Fall wohl gründe. Das einzig Reelle ist also ein Verdacht ohne Inhalt, den sie ihrer Beziehung auf diese Weise implantiert, der allerdings kaum zu wirken vermöchte, könnte er nicht auf Ablagerungen älterer Verdächte zurückgreifen. So erinnert der Mann sich gut, obgleich ungern, an Augenblicke, da ihn beim Spielen mit der kleinen Tochter das unbehagliche Gefühl ergriff, unter Beobachtung zu stehen, ein unerklärliches Gefühl, das sich auch in keiner Weise konkretisierte, nichtsdestoweniger, einmal stärker, einmal schwächer, zum ständigen Begleiter wurde und seinem Umgang mit der Kleinen eine Befangenheit beimischte, gegen die er heftig bei sich selbst opponierte, ohne Erfolg, wie man sich vorstellen kann. Die Frau könnte ihm, wenn sie wollte, Aufschluss darüber geben, aber das wäre gegen ihr System, das auf Schweigen basiert, stattdessen wachsen die Schatten. Ab jetzt liegt also der Schatten des ›gewalttätigen Mannes‹ über seiner Beziehung. Er sieht es wohl und fragt sich, ob diese Frau, die er jetzt nur noch mit einem Zögern und einem kleinen ironischen Akzent die ›Frau an seiner Seite‹ nennen würde, weil ihm scheint, dass sie ihre Seite mit einer Hartnäckigkeit, die er von seiner Mutter her kennt und die dort für andere Dinge reserviert war, als Gegenseite interpretiert und lebt, ohne dass ihr Griff dadurch nachließe, im Gegenteil. Die Lehrerin findet, er habe noch manches zu lernen. Und das wäre gewiss nicht das Schlechteste. Leider ist dieser Lernprozess blockiert – von was und durch was auch immer. Stattdessen rätselt der Mann darüber, ob es sein könne, dass diese Frau ihn mit einem anderen verwechselt, und wer dieser andere sein möge – sein Vorgänger oder ein Mann, den er nicht sieht, weil sie ihn sorgfältig vor ihm verborgen hält, oder das hässliche Gegenstück zu dem Unsichtbaren. Natürlich sind solche Überlegungen müßig. Aber sie entwickeln ihre eigene Dynamik und ziehen einen Rattenschwanz von Emotionen hinter sich her, die man sich wiederum nur schwer eingestehen will, weil die verletzte Eitelkeit auf beiden Seiten der Barrikade tätig ist. Am Ende dieser stummen, mehrere Wochen andauernden Raserei kommt ihm ein neuer Gedanke. Wäre es möglich, dass diese Frau – aus Antrieben, die gesondert zu untersuchen wären – ihn wissentlich und willentlich so behandelt, als wäre er eine andere Person, aber nicht etwa eine real existierende, sondern ein kühl ersonnenes Schema ›Mann‹, das sie über ihn legt und mit dessen Hilfe sie ihren Verkehr mit ihm bis in seine letzten Kleinigkeiten hinein kontrolliert? Möglich wäre es, immerhin. Nicht nur wäre es möglich, es würde auch viele Züge ihrer Beziehung erklären, an denen er sich seit Jahren abmüht, wenn er sie den ganzen Zyklus von stummer Verzweiflung, Geringschätzung, Nichtbeachtung, aggressiven Klärungsversuchen durchlaufen lässt, ohne dass sich dadurch etwas änderte. Er weiß, dass solche Bilder vom jeweils anderen Geschlecht das Zusammenleben über diese Grenze hinweg, die mehr ein bis zum Erdmittelpunkt hinab reichender Spalt als eine grüne Linie ist, praktisch ohne Ausnahme bestimmen, er weiß auch, dass solche Erwartungen und durch Worte und Gesten und selbst durch die seltsamen Botschaften der Mode übermittelten Erfahrungskondensate das menschliche Selbstbild von Kindesbeinen an mitformen. Aber in der Vorstellung, die er sich davon macht, funktioniert das anders, prozesshafter, eingehender, eingänglicher, keinesfalls so, dass eine der beiden Seiten eine Art Feindbild – denn so empfindet er es – fixiert und den ›Partner‹ jahraus jahrein nach Maßgabe dieses Phantoms traktiert, als sei sie in einem lang andauernden Feldzug begriffen, der nach Lage der Dinge nur mit seiner vollständigen Unterwerfung und seiner Verwandlung in einen Trabanten enden kann. |
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