Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
nächste Seite

Der Mann erinnert sich ungern, er war nicht frei, er hat sich nötigen lassen, wer die Wiederholung nicht scheute, könnte sagen, die Frau hat auch diese Entscheidung schon durchgezogen, der Mann wird gefragt, aber er hat keine Stimme, er darf beistimmen oder es lassen, es ist ihr Körper, ihre Entscheidung – es wäre besser für ihre Beziehung, wenn er sie mittrüge – ihr Kind, ihr Leben, müsste er nicht wissen, was diese Besitztitel in Zukunft bedeuten werden? Der Mann erinnert sich ungern, ihm wird unbehaglich dabei. Aber die Erinnerung lässt ihn nicht aus, sie entwickelt sich zum ständigen Begleiter, zur fixen Idee. Hier beginnt sein abgespaltenes Leben, sein Leben als Stellvertreter des Mannes, den er nicht kennt, dessen Umriss er ahnt, dessen Schatten ihn bedrückt – des Mannes, den die Frau ihrer Entscheidung hinzufügt, um sie zu komplettieren, einer in vollkommener Willkür getroffenen Entscheidung, zu der er nur eine Kleinigkeit beiträgt, weil sie es sich so in den Kopf gesetzt hat: Er trägt sie mit. Jener Mann existiert nicht, er kann nicht existieren, er ist ein Phantom, dem er sich selbst auf Kosten der eigenen Person nicht annähern könnte, falls dieser Wahnsinnsgedanke sich in seinem Kopf breit machte. Er darf nicht existieren, weil er ein Instrument in den Händen der Frau ist, die ihn herbeizitiert, wenn sie seiner bedarf, und ihn in die Flasche zurückbannt, sobald er seine Dienste verrichtet hat. Manchmal ist der Schatten kaum merklich, es gibt Zeiten – Tage, später Stunden –, da ist er verschwunden, einfach verschwunden. Dann wieder lastet er unerträglich, wie man wohl sagt, obwohl hier erst das Ertragen beginnt, auf dem Lebensgefühl, das sich unter dem Druck verkrümmt, bevor es hohl und flach wird und eine leere Zeit gebiert, eine leere Zeit. Es gibt Momente, da denkt der Mann, dass die Frau ihn ›betrügt‹. Aber er ist sich nicht sicher, er wird den Argwohn nicht los, dass er selbst sich betrügt, wenn er so denkt, obwohl sich genügend Anzeichen finden ließen. Es widerstrebt ihm, das Naheliegende zu ignorieren, nicht, weil er glaubte, dass die Situation durch Wissen erträglicher würde, sondern weil sein Gefühl für das Wirkliche leidet. Manchmal sieht er sich als der Stellvertreter des Nebenbuhlers, den er nicht kennt, den es möglicherweise nicht gibt, eines Toten vielleicht, der im Körper der Frau umgeht, eines Wiedergängers, der ihm an anderen Tagen quicklebendig erscheint, ein guter Bekannter, fragt sich nur, welcher. Auch hier führt ihn die Frau in die Irre: diese langen Umarmungen eines anderen, diese nicht enden wollenden Abschiedsküsse an der nächtlichen Gartentür oder im abgedunkelten Flur der eigenen Wohnung, sind sie getürkt, um ihn zu reizen oder seinen Verdacht zu schüren, sind sie Ausdruck der Verachtung und der völligen Sicherheit, vor seinen Augen tun und lassen zu können, was sie will, weil es nur um die Kinder geht, nur um die Kinder? Es sind aber nicht die Kinder, es ist dieses ihm abgedrungene Kind, das andere, von ihm mit in die Beziehung gebrachte, kommt nicht in Betracht, es ist kein Problem, es wächst auf, was nicht das Schlechteste ist, sollte es zum Problem werden, dann wäre das sein Problem, damit muss er dann leben. Das andere aber, das Problem-Kind, das durchzuziehende, beherrscht das Ritual, das den Mann knebelt – es löscht seine Stimme, seine nicht in Betracht kommende Stimme.