Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
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Wollten wir nicht gehen? Wollten Sie nicht gehen? Ich jedenfalls wollte gehen, aber vielleicht ist es so gut. Man weiß nie, wozu es gut ist. Eine Zeitlang ist man unruhig, es vergisst sich, die Unruhe kehrt zurück, man weiß nicht, wohin sie gehört, sie besitzt ihr eigenes vegetatives System, man trinkt einen Schluck, und es beruhigt sich. Nicht für lange, nicht wirklich, aber es beruhigt sich. Das nächste Mal wirkt der Schluck nicht mehr, man braucht mehr oder etwas anderes, man sucht, man findet etwas. So spaltet man sie ab, die Unruhe, sie verändert den Körper, man muss ihn behandeln, während man selbst behandelt wird. Behandle ich Sie? Behandeln Sie mich? Wer das wüsste. Der Behandelte hat es gut, er lässt sich behandeln, er behandelt sich mit. Vielleicht sollte er wirklich aufstehen, es ist Zeit, diese Zeit war schon längst, schon immer vielleicht, aber die Behandlung tritt vielleicht gerade in ein neues Stadium, warten wir ab. Sehen Sie, ich wechsle das Thema, das macht Sie neugierig, behandeln wir das Thema. Aber ich kann Sie beruhigen. Das Thema ist immer dasselbe, natürlich wissen Sie das. Sie bleiben, aber unter Vorbehalt, denn selbstverständlich können Sie jederzeit gehen, Sie werden gehen, soviel steht fest, Ihr Entschluss zu gehen wird durch Ihr Bleiben gar nicht tangiert. Auch hier sind zwei, eine, die geht und eine, die bleibt. Diejenige, die bleibt, schickt sich in die Behandlung, die ihr widerfährt. Merken Sie dieses Wort: ›schickt sich‹? Das Bleiben selbst ist eine Art Verschickung, ein Sich-Verbringen an einen anderen Ort, an dem man das, was einem widerfährt, selbst erbringt. Dieses Erbringen, sehen Sie, ist schon eine Leistung für sich, man übersieht sie leicht, das ist ein Fehler. Denn jedes Sich-Einlassen auf die Spiele, die ein anderer mit einem treibt, läuft darauf hinaus, dass dieses einem selbst darin mehr oder weniger gut verborgene Erbringen und wirkliche Erbracht-Haben – während man die Fäden noch in der Hand zu halten scheint und sich als Herr der Situation fühlt – früher oder später, nein, immer früher, der Zeitpunkt liegt immer früher, sich in eine Forderung der anderen Seite verwandelt: Wer vorleistet, muss es irgendwann bringen. Eine schöne Phrase! Sie sind vorhin geblieben, weil Sie darauf warteten, dass ich zu reden aufhöre, das war höflich von Ihnen, aber ein Fehler, denn ich habe nicht aufgehört, und nun habe ich Sie so in meiner Gewalt, dass die Unhöflichkeit unermesslich wäre, wenn Sie wirklich aufstünden und gingen. Gleichzeitig bin ich mit Ihnen unzufrieden, denn Sie sind eine miserable Zuhörerin, unkonzentriert und – entschuldigen Sie, wenn ich das sage – unhöflich, weil Sie nicht wirklich interessiert, wovon ich rede, weil nur die Situation Sie gefangen hält und ich alles daran setze, diese Gefangenschaft zu verlängern und fest zu zurren, indem ich zum Beispiel auf Wünsche eingehe, die Sie gar nicht geäußert haben, möchten Sie noch von dem Roten? Wo steckt überhaupt der Kellner? Wir scheinen die letzten zu sein, das ist schön. Aber ein Kind, das ist eine andere Sache, ein Kind, das Sie in dieser Weise einsetzen wollen, sollte schon ein problematisches Kind sein, ein Problemkind.