Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
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Seit eh und je kennt der Mann diese Runde, manchmal taucht ein neues Gesicht auf, in den letzten Jahren so gut wie nicht mehr. Männer, an deren nichtssagende Visagen man sich im Lauf der Zeit gewöhnt hat, sie kommen abhanden, werden nur selten ersetzt. Der Ingenieur zum Beispiel ist verschwunden, von der Sprachlosigkeit verschluckt, als habe es ihn nie gegeben. Der Chor der Weiber hat ihn zum Fall gemacht und fallengelassen. Dass die Geschundene, das blühende Leben, ihn mit einem glatten Schnitt vom gemeinsamen Haus getrennt hat, ist keiner Erwähnung wert, es versteht sich von selbst. Sein Fall ist nicht der einzige. Der Mann erinnert sich an einen großspurig auftretenden Sportsmann, einen Immobilienverwalter, der sein Gastspiel in diesem Kreis eher rasch beendete. Das kurze Engagement reichte aus, um ein waghalsig finanziertes zweistöckiges Wohnhaus hochzuziehen, in dem er inmitten seiner Familie ein standesgemäßes Leben zu führen gedachte. Seltsam, dabei zuzusehen, wie sich die in Scheidung begriffene Partnerin, eine noch immer halbwegs elegant wirkende Oberstufenlehrerin für Deutsch und Französisch, unter den besorgten Kommentaren des Kreises in ein schluchzendes, stammelndes, nicht länger der Grundrechenarten mächtiges und auf diffusen männlichen Beistand angewiesenes Schoßgeschöpf verwandelte. Auch diese Person bewohnt heute, nach Außenstehenden undurchdringlich erscheinenden finanziellen Regelungen, eloquent und gelassen allein mit den Kindern das ehedem gemeinsame Haus, wenn man von der Mietpartei einmal absieht, die den Besitz finanziert. Störend in diesem Fall wirkt vielleicht, dass die elegante Person vom Ex-Mann nicht nur das Haus, sondern auch die rüde Gesinnung zurückbehalten hat. So kann es ihr unterlaufen, dass sie mitten zwischen den untadeligsten Ansichten sich rückhaltlos keifend über irgendwelches ›Gesocks‹ verbreitet, das ihr oder ihresgleichen an den Beutel will, und sei es auf dem Weg über Steuerreformen oder ähnlich faule Umverteilungstricks der gerade Regierenden. Der Mann glaubt zu bemerken, dass die Freundinnen diese Ausfälle schweigend passieren lassen, als handle es sich um epileptische Anfälle, die keiner Kommentierung bedürfen. Da hat sich die Älteste unter ihnen, mittlerweile pensioniert, schon besser unter Kontrolle. Ihre Scheidung reicht noch in jene biblischen Zeiten zurück, in denen dergleichen für ein Unglück, um nicht zu sagen für eine Katastrophe gehalten wurde. Auch sie eine respektable alleinstehende Hausbesitzerin in begehrter Wohnlage, der Mann erinnert sich undeutlich an die dazugehörige Legende, die sie ihm anlässlich eines Festes bei Schummerlicht anvertraute und deren fassliche Teile sich im Weiterreden immerfort zu entfernen schienen, je intensiver er versuchte, sich das bereits Gesagte zu vergegenwärtigen, aber damals war er noch arglos und beschloss sogar, die Person zu mögen.