Novelle. The Hidden Power of Nonchalance
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Es ist aber so – und er spürt es genau –, dass er hier nicht in Betracht kommt, wie ihm die Sprungbereitschaft der Giftmischerin vorhin einmal mehr signalisiert hat, obwohl er gerade darüber Zweifel empfindet, da sich in ihrem Verhalten ein neues Element zeigt, das sich vielleicht nicht so sehr von den gewohnten unterscheidet, aber doch auf einer ansonsten ruhig scheinenden Wasserfläche eine Kräuselung bildet, einen hellen Fleck im Bewusstsein. Banal wäre es, anzunehmen, sie hätten über ihn geredet, diese Reden sind zirkulär und endlos, solange sie nicht den Punkt erreichen, an denen ein Strang abreißt, denn das ewige Schieben und Drücken der Redensarten und Erregungen funktioniert am Ende so wie ein gelegentlich – keiner kennt den Tag und die Stunde – kalbender Gletscher, und es könnte sein, dass nach dem Abgang des Ingenieurs nunmehr seine Verabschiedung auf der Agenda steht. Dem würde entsprechen, dass sich die Gastgeberin nicht, wie sonst, auf einen Sprung neben ihm niedergelassen hat, um ein wenig gehobene Konversation zu führen, zu der sie sich aus irgendeinem Grund im Kreis ihrer Freundinnen besonders befähigt glaubt, wohl deshalb, weil sie den eigenen Typus instinktiv für kostbarer hält. Vermutlich verdankt sie dieser Überzeugung, die von ihr ausstrahlt, als könne sie nichts dafür, das Haus samt Interieur, auch wenn man nichts Genaues darüber weiß. Andererseits sind das, wie er aus langer Erfahrung weiß, trügerische Zeichen, die Ursachen dafür können ebenso in einer verdorbenen Vorspeise wie in einer zur Unzeit eingelaufenen Rechnung liegen, auch wenn er sich eingestehen muss, dass er sich nicht nur überflüssig vorkommt, sondern auch entsprechende Signale von den Anwesenden empfängt, rasch hingeworfen und wieder verwischt, deutlicher übrigens seitens der Männer, ein Hauch von Duellforderung liegt in der Luft. Verstärkt wird der Eindruck durch die gegenläufige, geradezu leutselige Art, in der ihm der Ehemann der ›besten Freundin‹ diesmal entgegenkommt, ganz auf der Linie eines auch sonst von ihm bevorzugten Honoratioren-Verhaltens, das den Abstand zum zwanghaften Gebaren der übrigen Männchen in jeder Wendung aufs Neue herzustellen weiß. Der Mann kann nicht recht feststellen, worauf die Wissbegier des anderen sich richtet, vermutlich hat man sich früher so einem zum Tode Verurteilten genähert, der von dem ihm bevorstehenden Schicksal nichts weiß, vielleicht, um die Unschuld des todverfallenen Lebens zu riechen, vielleicht, um den bitteren Vorgeschmack des eigenen Abgangs zu kosten, jedenfalls blitzt zwischen seinen leichten Bemerkungen ein wirkliches Interesse auf, das dem Gesagten einen Platz in einem imaginären Orbis Pictus zuweist, der dem Mann naturgemäß unzugänglich bleibt. Er reicht ihm sogar die Hand, bevor er sich im Strudel der anderen Gäste verliert, eine rätselhafte, absolut unübliche Geste, die den Mann an einen anderen, eher einsilbigen Abschied erinnert, der nun schon einige Zeit zurückliegt.